Texte der Tafel 1:

Zwischen Kaiserreich
und Nationalsozialismus:
Die Familie von der Schulenburg
und die Politik

Am 5. September 1902 wird Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg als vierter Sohn von Graf Friedrich Bernhard von der Schulenburg und seiner Frau Freda-Marie in London geboren, wo sein Vater als Militärattaché an der deutschen Botschaft tätig ist.
Mit der Rückkehr nach Deutschland 1906 wohnt die Familie zuerst in Berlin und dann in Potsdam, bevor sie 1916 auf das väterliche Gut nach Tressow zieht.
Der politisch ungemein interessierte Schulenburg nimmt nach dem 1920 bestandenen Abitur ein Jurastudium in Göttingen und Marburg auf, gefolgt von fünf Jahren als Regierungsreferendar in Potsdam und Recklinghausen. Dort wird er mit der großen Not der Weltwirtschaftskrise von 1929 konfrontiert und setzt sich grundlegend mit der sozialen Frage auseinander. Er hält Vorträge im Arbeiterbildungsverein und befürwortet eine umfassende Bodenreform zur Verbesserung der Lage der Landarbeiter. Zur gleichen Zeit gründet Schulenburg in Recklinghausen eine Ortsgruppe des nationalistischen Völkischen Turnerbundes, auch beschäftigt er sich intensiv mit den Schriftstellern der Konservativen Revolution Ernst Jünger, Arthur Moeller van den Bruck und Oswald Spengler.
Diese lehnen die demokratische Ordnung der Weimarer Republik vehement ab und propagieren stattdessen den autoritären Staatsaufbau und die Vormachtstellung Deutschlands in Europa.

“Als die formalen Inhaber der Staatsgewalt versagten und sich fremden internationalen Mächten versklavten, schuf der unbekannte Soldat des Weltkrieges Adolf Hitler einen neuen Kern des Widerstandes in der NSDAP. In Kampf und Terror gehärtet, wurde die Partei zum absoluten Träger der nationalsozialistischen Idee, zur Inkarnation des Glaubens und des Willens des deutschen Volkes.”

(FRITZ-DIETLOF GRAF VON DER SCHULENBURG in einer Denkschrift 1934)

“Ich kenne die Schattenseiten der Partei; ich weiß, daß manche der Führer nichts taugen, aber auch dort ist alles in Bewegung. Es scheint, als ob das norddeutsche und preußische Element sich sehr durchzusetzen beginnen.”

(FRITZ-DIETLOF GRAF VON DER SCHULENBURG in einem Brief 1932)

Stark geprägt wird Schulenburg auch von den politischen Einstellungen seines Vaters, der seit 1924 für die republikfeindliche Deutschnationale Volkspartei im Reichstag sitzt und 1931 Mitglied der NSDAP wird. Auch Schulenburgs ältere Brüder Johann-Albrecht, Wolf-Werner und Adolf-Heinrich sowie die Mutter Freda-Marie treten der nationalsozialistischen Partei bereits vor deren Machtübernahme 1933 bei. Mit seinem eigenen Parteieintritt im Februar 1932 verbindet Schulenburg die Hoffnung auf eine wirksame Linderung des sozialen Elends und auf die Neuordnung Deutschlands in preußischem Geiste. Politisch nahe steht er dem norddeutschen Flügel der NSDAP unter Gregor Strasser, welcher stärker als die anderen Gruppen in der Partei die soziale mit der nationalistischen Ausrichtung zu verbinden sucht. …

Texte der Tafel 2:

Nationalsozialismus und Beamtentum: Das Ideal der preußischen Verwaltung

Schulenburgs Mitgliedschaft in der NDSAP bleibt ohne disziplinarrechtliche Folgen, obwohl er als Beamter damit seinen Eid auf die preußische Verfassung bricht. Wenige Monate nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wird er an das Oberpräsidium im ostpreußischen Königsberg versetzt, wo er als Leiter des Politischen Amtes der NSDAP die schnelle Gleichschaltung der Provinz voranzutreiben hilft.

Den in der Anfangsphase besonders brutalen Terror der Nationalsozialisten gegen politische Gegner und Juden rechtfertigt er als notwendige Maßnahme zur Durchsetzung des neuen Regimes. Während er die Absetzung des bisherigen Oberpräsidenten zugunsten eines überzeugten Nationalsozialisten aktiv betreibt, setzt er sich an anderer Stelle für die Weiterbeschäftigung nicht-nationalsozialistischer Verwaltungsfachleute ein.

1933 heiratet Schulenburg in Berlin Charlotte Kotelmann, die er 1926 als Rechtsreferendar kennengelernt hatte. Zu einer ersten politischen Desillusionierung führt die Ermordung Gregor Strassers während der Ausschaltung der SA im Juni 1934, in deren Folge das soziale Element des Nationalsozialismus zunehmend hinter das nationalistische zurücktritt.

“Ich habe mir vieles doch anders vorgestellt nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus, trotzdem ich auch vorher gewisse Schwächen klar sah. Aber es schadet nichts. Die Idee, an die ich nach wie vor fest glaube, wird alles überwinden.”

(FRITZ-DIETLOF GRAF VON DER SCHULENBURG in einem Brief 1933)

“Ich glaube, daß ich jetzt den Weg zu Gott gefunden habe. In meinem ganzen Leben hatte er wie ein leises Motiv geklungen, das ich erahnt habe, jetzt ist es wie ein Orgelton, der mein Leben beherrschen wird.”

(FRITZ-DIETLOF GRAF VON DER SCHULENBURG in einem Brief 1936)

Der Verwaltungsfachmann kritisiert in den folgenden Jahren in Denkschriften und Vorträgen die grassierende Korruption und Unfähigkeit von großen Teilen der nationalsozialistischen Funktionsträger sowie den zunehmenden Einfluss von NS-Parteigliederungen zu Lasten der staatlichen Administration. Unter Verweis auf das Ideal der preußischen Verwaltung Friedrichs des Großen plädiert er für eine grundlegende Reform zur Stärkung von Beamtentum und Militär, während er die Kompetenz der NSDAP auf das Gebiet der ideologischen und politischen Richtlinien beschränkt sehen will. In diesen Jahren wendet er sich auch wieder verstärkt dem christlichen Glauben zu, der zur moralischen Basis seiner wachsenden Kritik an der nationalsozialistischen Herrschaftspraxis wird. Trotzdem vertraut Schulenburg aber weiterhin auf die Reformfähigkeit des politischen Systems, weswegen er in leitenden Positionen des nationalsozialistischen Regierungsapparats tätig bleibt.