„Machtfrage“ klärte sich im Herbst 89
Altbischof Heinrich Rathke sprach auf Einladung des Vereins Denkstätte Teehaus Trebbow über die friedliche Revolution in der DDR
GROSS TREBBOW „Die Machtfrage ist geklärt.“ Oft hat Dr. Heinrich Rathke diese Worte gehört, wenn er in den 70er- und 80er-Jahren als Mecklenburger Bischof mit SED-Oberen sprach. Wie instabil die Macht der Einheitspartei tatsächlich war, zeigte sich im Herbst 1989. In der Dorfkirche von Groß Trebbow berichtete Rathke am Sonnabend vor mehr als 40 Gästen über seine Erinnerungen an die friedliche Revolution. Eingeladen hatte der Verein Denkstätte Teehaus Trebbow. ,,1989- 2013: Nachgefragt – Was sie wollten und was daraus geworden ist“, so lautete das Motto der Veranstaltung.
Rathke, Jahrgang 1928, aufgewachsen in Malchow, Muttersprache Plattdeutsch, kam nach dem Krieg nach Schleswig-Holstein, war Seelsorger in Bayern und wechselte erst in den 50er Jahren in die DDR. ,,Ich habe auf mehreren Ebenen mein Tun gehabt“, sagte Rathke. Von 1971 bis 1984 war er Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Mecklenburgs. Die Wendezeit erlebte der Theologe als Pastor in Crivitz, wo er den friedlichen Protest der Einwohner gegen das DDR-Regime unterstützte.
„Wann hat sich was durch wen gewendet?“, fragte Rathke in seinem Vortrag. Er blickte zurück auf die Flucht von DDR-Bürgern über Ungarn, den 40. Republikgeburtstag, die Montagsdemonstrationen in Leipzig, die legendäre Schabowski-Pressekonferenz zur Maueröffnung und die internationale Zustimmung zur deutschen Einheit. Die Wende habe viele Facetten, erklärte Rathke. Auf der Haben-Seite der Revolution verbuchte der Altbischof den Ruf „Wir sind das Volk!“, den Mut zur Öffentlichkeit, die Rolle der Kirche als Dach des Protestes und die ersten freien Wahlen in der DDR. In punkto Aufarbeitung mahnte Rathke zur Geduld: „wir sind noch längst nicht soweit, um das Thema abzuschließen.“
Dr. Ulrich Ivo von Trotha, Vorsitzender des Vereins Denkstätte Teehaus Trebbow, dankte Rathke für seinen Vortrag. Bewusst habe sich der Verein nach Ausstellungen und Schulprojekten in der Vergangenheit in diesem Jahr für eine andere Form der Erinnerungsarbeit entschieden, betonte Trotha. Das Ziel bleibe aber das Gleiche: die Förderung von Bürgergesellschaft und Zivilcourage. Im Teehaus von Klein Trebbow hatten sich Ostern 1944 einige Mitglieder der Gruppe um Graf Stauffenberg getroffen, um das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 vorzubereiten. Der Verein nutzt das wiederhergestellte Gebäude als Denkstätte für den Widerstand gegen Diktaturen.
In einem Grußwort beschrieb die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Anne Drescher, die Schwierigkeiten bei der juristischen Aufarbeitung der SED-Herrschaft. Nur ein Bruchteil der Ermittlungsverfahren gegen Verantwortungsträger habe tatsächlich in eine Haftstrafe gemündet, so Drescher. Um so wichtiger sei die moralische Aufarbeitung. Politisch Verfolgte hätten in der DDR-Zeit nicht über ihr Schicksal sprechen können, sie hofften weiterhin auf Verständnis und Rehabilitierung, sagte die Landesbeauftragte.
Auszüge aus der Interviewreihe „Umbruch in der DDR – Zeitzeugen“, in der sich maßgebende Persönlichkeiten aus der Wendephase wie Rainer Eppelmann, Friedrich Schorlemmer und Konrad Weiß Anfang 1990 zu ihren Erwartungen an die neue Zeit äußerten, und eine von Prof. Norbert Schwarte moderierte Podiumsdiskussion mit Altbischof Rathke, dem Schweriner Bürgerrechtler Heiko Lietz, der Rostockerin Dietlind Glüer und Wolfgang von Rechenberg aus Parchim rundeten die Veranstaltung in der Trebbower Kirche ab.
Christian Koepke
Aus der Schweriner Volkszeitung vom 24.9.2013