Geschichte an denkwürdigem Ort

Die aktuelle Ausstellung im Teehaus Klein Trebbow heißt „Der 20. Juli 1944 war nicht die Tat eines Einzelnen“. Sie hat noch bis zum 16. August geöffnet. Gestern erlebten hier bei einem Projekttag zwei 10. Klassen vom Geschwister-Scholl-Gymnasium Wismar Geschichte zum Anfassen.

KLEIN TREBBOW – Die Wismarer Gymnasiasten erfahren zuerst den geschichtlichen Hintergrund für die Ausstellung in dieser Idylle: In Klein Trebbow gab es um Ostern 1944 vorbereitende Gespräche zum Attentat am 20. Juli auf Hitler. Die Grafen Fritz-Dietlof von der Schulenburg und Claus Schenk von Stauffenberg nutzten dafür einen kleinen Pavillon, das Teehaus. „Hier konnten sie sich unauffällig treffen“, sagt Joachim Albrecht vom Förderverein Denkstätte Teehaus Trebbow und betont, wie viel Mut dieser Widerstand verlangt habe. Auch heute müsse häufig Widerstand geleistet werden, ob bei Unstimmigkeiten in einer Clique oder ganz einfach im Alltag, nimmt Albrecht die Schüler mit in die Gegenwart. Damals jedoch sei es um Leben und Tod gegangen.

Rückblickend auf zwei deutsche Diktaturen wolle der Förderverein an diesem denkwürdigen Ort zum Nachdenken anregen über Demokratie, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit, führt Vorstand Prof. Norbert Schwarte den Gedanken weiter. Geschichtliches an einem Ort zu erfahren, der sich mit so einem Ereignis verbindet, sei für die Schüler realer, begründen die Lehrer Jürgen Wahlbrink und Peter Burgold die Verlegung des Projekttages nach Klein Trebbow. „Wir waren schon bei der Ausstellung im vorigen Jahr mit einer kleineren Gruppe hier und fanden die Mischung aus Vorträgen und Gesprächen mit Zeitzeugen sehr interessant. Das ist nicht typisch Schule, sondern Geschichte zum Anfassen“, so Wahlbrink. Der 20. Juli 1944 sei Unterrichtsstoff im vorigen Schuljahr gewesen. Mit dem Datum wissen die Zehntklässler gestern allerdings wenig anzufangen. Über den Film „Operation Walküre“ hilft Prof. Schwarte ihnen auf die Sprünge. „Aber das war so ein typischer Hollywood-Film, viel Action und kaum geschichtliche Aspekte“, kommt es aus der Runde. Die Biografie Stauffenbergs habe noch durchgeblickt, doch alle anderen Beteiligten am Attentat seien nebensächlich gewesen. „Der Film ist in großen Teilen historisch fragwürdig“, stimmt Prof. Schwarte den Gymnasiasten zu. „Das war für uns mit ein Grund für diese Ausstellung.“ Im Teehaus geben acht Schautafeln einen Überblick über das Netzwerk des Widerstands um Fritz-Dietlof von der Schulenburg: Staatsdiener, Volksdiener, Verantwortliche, Aktive, Vermittler, Denker. Wann sie zusammengekommen sind, will Malte Dolff wissen. „Es gab ältere private und dienstliche Kontakte, zum Beispiel zwischen Cousins oder von der Offiziersausbildung“, erklärt Linda von Keyserlingk. Die Historikerin vom Militärhistorischen Museum Dresden hat die Ausstellung konzipiert und die Texte dafür verfasst. „Doch das große Netzwerk hat sich erst in den Jahren des Widerstands gebildet, angefangen etwa 1938 bei ersten Staatsstreichversuchen von Militärs und Diplomaten. Viele Kontakte sind aber unmittelbar in Vorbereitung des 20. Juli zu Stande gekommen“, sagt die Historikerin und geht damit auch auf die Frage von Verena Suderow ein, wie lange das Attentat geplant worden ist. Am Ende sind die Schüler überrascht. Sie hätten nicht gedacht, dass das ganze Netzwerk zur Vorbereitung und Ausführung des Hitler-Attentats rund 200 Menschen umfasste. Eine Erkenntnis, auf die genau die Ausstellung abzielt. Sie ist bis zum 16. August täglich von 14 bis 18 Uhr zu besichtigen, darüber hinaus nach telefonischer Vereinbarung (03867 / 612591).

Schweriner Volkszeitung: 15. Juli 2009

Interview mit der Historikerin Keyserlingk

Wie kam es, dass Sie im fernen Dresden mit der Vorbereitung dieser Ausstellung betraut wurden?

Keyserlingk: Der Vorsitzende des Fördervereins Denkstätte, Herr von Trotha, hatte meine Magisterarbeit gelesen. Darin geht es um das Netzwerk vom 20. Juli 1944.

Aus der Magisterarbeit entstand also eine Ausstellung?

Keyserlingk: Die Grundlage war sie schon. Ich habe die Arbeit vertieft und mit als Bezug zu Klein Trebbow das Netzwerk speziell um Fritz-Dietlof von der Schulenburg herausgearbeitet. Auf dem Flyer zur Ausstellung ist es dargestellt. Er hatte unglaublich viele Kontakte, nicht nur zu Verwandten, Freunden und Bekannten, sondern auch zu verschiedensten Militärs, zu Diplomaten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftern.

War nicht zuvor schon alles zu dem Attentat gesagt?

Keyserlingk: Richtig, es gibt meterweise Literatur darüber, zahlreiche Biografien der Verschwörer. Aber wie ihre Kontakte entstanden sind und sie zusammengewirkt haben, war bislang zu wenig berücksichtigt. Das war der neue Ansatz für diese Ausstellung.

Schweriner Volkszeitung: 15. Juli 2009